Meine letzten Dolmetscheinsätze in Deutschland bzw. Frankreich veranlassten mich wieder einmal darüber nachzudenken, wie unterschiedlich die Definition von „Kundenservice“ in den beiden Kulturkreisen sein kann.
Manche Unternehmen tönen laut „Bei uns ist der Kunde König“, aber ist das immer so? Als ich nach über fünf Jahren in Japan nach Deutschland zurückkam, erlebte ich einen unerwarteten Kulturschock: Ich fühlte mich als Kunde nicht ernstgenommen. Im Westen ist Kundenservice ein Extra, das ein Unternehmen seinen Kunden bietet – bis zu einem gewissen Grad kostenlos, aber ab einem höheren Aufwand an Zeit und Material wird hierfür ein Preis festgesetzt. Damit unterteilen Unternehmen in Europa ihre Kunden in zwei Klassen: Standard-Kunden, welche den kostenlosen Service in Anspruch nehmen, und VIP-Kunden, die bereit sind für mehr Service einen höheren Preis zu bezahlen.
Kundenservice in Japan
In Japan jedoch ist der Kunde nicht nur König, sondern GOD – Generator, Operator und Destructor. Dort ist man sich ständig bewusst, dass ohne den Kunden kein Umsatz gemacht werden kann. Also macht man ihm nicht nur die Bedienung der Geräte möglichst leicht, sondern auch schon den Einkauf. Das gilt übrigens auch für Monopolisten und (halb-) staatliche Institutionen wie Unternehmen des öffentlichen Verkehrs. Überall – sogar in der Nähe von in der Bedienung etwas komplizierteren Automaten ist freundliches und hilfsbereites Personal in der Nähe. Ein gutes Beispiel ist das folgende Video:
Kundenservice in Japan – MyVideo
Übrigens kann man hier problemlos ein Ticket für 160 Yen mit einem 10.000 Yen Schein bezahlen und bekommt auf den Yen genau das Wechselgeld heraus. Und hat man das falsche Ticket gelöst, so kann man ohne Probleme am Ausstiegsort nachlösen. Auch hier erscheint ein freundlicher Mensch und hilft wenn nötig.
Hier zeigt sich ein komplett anderes Menschenbild der Japaner – Vertrauen in das Gute im Menschen. Nach dem Gesetz der Resonanz hat diese positive Einstellung den Kunden gegenüber auch die entsprechende Wirkung: Der Vertrauensvorschuss wird kaum ausgenutzt. Vielmehr wird zwischen dem Unternehmen und jedem Kunden ein Loyalitätsverhältnis begründet, das beiden Seiten höchst dienlich ist.