Familie zu mieten

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Japanisches Hochzeitspaar
Traditionell gekleidetes Hochzeitspaar

In Japan ist die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, angefangen von der eigenen Familie bis hin zur Schul- und Universitätsalumi-Organisation und natürlich der Firma überaus wichitg. In der Regel erhält man bei Problemen aus all diesen Gruppen (uchi – „zuhause“) auch Unterstützung. Alle anderen Menschen der Welt gehören zur Gruppe der soto („extern“), der gegenüber man sich zu rein garnichts verpflichtet fühlt. Bisweilen gibt es einen Aufschrei der Empörung, wenn diese gesellschaftliche Regel wieder einmal offensichtlich wurde. Dabei gibt es ebenso viele Beispiele, in denen auch Japaner Fremden halfen, obwohl sie dem japanischen Moralverständnis zufolge, dem Geholfenen dadurch eine Beziehung „aufzwingen, denn er steht – je nach Ausmaß der Hilfe – dann für den Rest des Lebens beim Helfer in der Schuld, was auch dann zu gebrauchende Floskel widerspiegelt: Osewa ni narimashita (お世話になりました。wörtlich „die Welt spricht darüber“, sinngemäß aber „Ich bin Ihnen zu Dank verpflichtet!“)

Sichtbar werden die unterschiedlichen Unterstützergruppen vor allem auf Familienfesten wie der Hochzeit oder der Beerdigung. Was aber, wenn dieser Personenkreis sehr klein ist? Das schmälert das Ansehen der Hauptpersonen sehr. Während bei uns Hochzeiten und Trauerfeierlichkeiten im kleinen Kreis akzeptiert werden, und es außerdem auch noch den Polterabend für den Freundeskreis gibt, gehört es in Japan zum guten Ton, eine größere Anzahl von Personen zu solchen Festen als „Zeugen“ einzuladen. Außerdem sorgen die Gäste mit Reden und Gesangseinlagen für die Unterhaltung der Gäste während sich das Brautpaar umkleidet: Die Braut vom weißen Kimono in ein westliches Brautkleid und später dann noch in ein anderes Festtagsgewand, der Bräutigam vom japanischen Anzug in einen westlichen Stils. Einerseits sind natürlich von den Gästen substanzielle Geldgeschenke zu erwarten, aber sie werden dann ja auch reich beschenkt, z.B. mit Porzellan-Sets etc. Damit auch jeder Gast glücklich wird mit seinem hikidemono (Geschenk an die Hochzeitsgäste) gibt es sogar einen Katalogservice, bei dem man sich selbst dann etwas aussuchen kann.

Ein findiger Japaner hat nun einen besonderen Service ins Leben gerufen: Eine Agentur, die Familienmitglieder und Freunde vermietet. Natürlich ist Diskretion höchste Priorität, doch einem dänischen Filmemacher ist es gelungen, darüber einen Dokumentarfilm zu drehen, der in Europa sehr gut aufgenommen wurde. Jetzt hat sogar der Agentur-Betreiber Interesse gezeigt – entgegen dem ursprünglichen Plan – diesen Film auch in Japan zu zeigen.